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10 (erwähnenswerte) Wahrheiten die mich zu einem besseren Ich gemacht haben


"Die meisten Leute hören nicht zu, mit der Absicht zu verstehen;  sie hören zu, um zu antworten."      

S.R. Covey

 

Am frühen Morgen des 27. August 1997 verließ ich im Alter von 16 Jahren das Flugzeug und betrat den Frankfurter Flughafen. Mir war sofort bewusst, wie schwer das, was vor uns lag, werden würde.

Zwar sprachen viele Passagiere oder Flughafenangestellte Englisch, aber mir fiel natürlich auf, dass alle Schilder in Deutsch geschrieben waren. Viele Schilder waren zwar bilingual gestaltet, aber die vielen Wörter, die ich nicht erkennen, geschweige denn aussprechen konnte, gaben mir ein flaues Gefühl in der Magengrube. Mir war durchaus bewusst, dass Lehrer*innen in der Schule kaum mit bilingualen Schildern arbeiten würden, Menschen auf der Straße auch nicht. Auch nicht gleichaltrige Kinder, die dich beobachten, dich anstarren und darauf warten, dass du über ein Wort stolperst und Ihnen so den nächsten Lacher servierst, etwas, womit sie dich als "anders" kategorisieren. Schräg. Seltsam. Queer. Ängstlich durchatmend blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Koffer durch den Parcours von Absperrständern zu manövrieren. Heute, mit 36, manövriere ich mich immer noch durch die Absperrständer.

Aber mein Koffer ist leichter geworden.

Hier lest ihr, wie.

 

 

"Passe dich nicht den geringeren Erwartungen an, die Leute an dich haben

(und erwarte nicht weniger von dir selbst.)"

 


An der kleinen Schule, an der meine Mutter mich anmeldete, wusste niemand wirklich, wie man mit jemandem umgeht, der so "anders" ist, der "so lange braucht" um sich einzugewöhnen und die Sprache zu lernen. Zu lange, um als "normal" gesehen zu werden und "anzukommen". Es dürfte keine große Überraschung sein, dass ich nach der zehnten Klasse aus der Schule entlassen wurde und mir geraten wurde, mich darauf zu konzentrieren, Deutsch zu lernen und eine Ausbildungsstelle in einer guten Firma zu finden, eine Stelle anzunehmen und so meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Da ich nicht begriff, welche Auswirkungen der Schulabgang auf meine Zukunft haben würde und ich es nicht wagte, die Autorität meines Schulleiters in Frage zu stellen, tat ich, wie mir empfohlen wurde. Ich passte mich den geringeren Erwartungen an.

 

 

"Dein Erfolg ist deine Verantwortung. Wenn du dich anpassen musst, um richtig zu sein, dann ist der Container zu klein. Weiter geht’s!"

 


Ich habe nicht dazugehört. Es hat sich nicht richtig angefühlt. Ich habe mich gefühlt, wie ein Betrüger und Schwindler. Falsch.  Ein Maulwurf. Das Gefühl, enttarnt zu werden, als ob mich jemand bei Seite nehmen würde und mich fragen würde, was, bei aller Liebe, ich hier mache und wann ich endlich dahinterkommen würde, was auch immer ich machen sollte.

 
Nach einem Jahr, vielleicht zwei, konnte niemand mehr hören, dass ich nicht aus Deutschland komme. Ich hatte die Sprache gelernt, mich integriert. Im Grunde so, wie man es mir aufgetragen hatte. Ich passte hinein. Die Beurteilung meiner Rolle im Team wiederum basierte selten, wenn überhaupt, auf meiner Leistung im Job. Meine Ergebnisse waren gut. Meine Zahlen waren okay. Ich erfüllte meine vertraglichen Verpflichtungen, übertraf mich, indem ich zusätzliche Projekte annahm und machte jede Überstunde, die notwendig war, um das Projekt zum Abschluss zu bringen. Ich feilte an meiner Karriere bis zu dem Punkt, an dem ich zum Stellvertreter der Abteilungsleitung aufstieg und die Mitverantwortung für 5 Mitarbeiter*innen  trug. In jedem  "persönlichen Entwicklungsgespräch" fiel meinen Vorgesetzten jedoch auf, dass etwas nicht ganz stimmte, eine Tatsache die ich keineswegs abstreiten konnte. Meine Leistung wurde meist anhand meiner "Andersartigkeit" beurteilt, nicht anhand meiner Leistung. Diese Andersartigkeit, die, egal, wie sehr ich mich bemühte, sie zu unterdrücken, doch immer wieder zum Vorschein kam. Aus dieser Andersartigkeit hätte eine innovative Führungsstil werden können. Nicht jedoch ohne Mentor*in.  Mietzahlungen, Lebensunterhalt und die pure Angst und Scham, als Versager zu gelten, hielt mich davon ab, vor meinen Vorgesetzten oder mir selbst zuzugeben, dass die Karriereleiter, auf der ich mich befand, mir vorgegeben wurde anstatt dass sie aus dem, was ich liebe und was ich gut kann organisch gewachsen war. Die Wahrheit ist diese: Ich war zwar gut in meinem Job, er war mir jedoch fast egal. Ich hatte mir diesen Weg nicht gewünscht. Sie war meine Notlösung nach der Entscheidung meines damaligen Schuldirektors. Ich wusste aber auch, dass das keine Entschuldigung ist. Nichts liegt dem Erfolg ferner, als jemand, dem Unrecht geschehen ist, der aber seine Verantwortung für das Gerade rücken des Unrechts nicht eingestehen will. Ich musste also der Rolle als "Opfer meiner Umstände" entwachsen.

 

 

"Du musst das, was du tust, lieben und aus freien Stücken machen.

Autonomie und Leidenschaft sind nicht verhandelbar."

 

 

Mit 28 war eine radikale Reflexion, wohin mich  mein Leben mich führt, dringend notwendig. Bewusst oder unbewusst wurden mir auf Grund meiner Herkunft und darauf basierend, wie gut und wie schnell ich mich integrieren konnte, verschiedene Möglichkeiten, sowohl schulisch als auch arbeitsbezogen, verwehrt. Ob ich meiner Möglichkeiten gegenüber würdig war, war also grundlegend damit verbunden, wie ähnlich ich meinen Mitmenschen war. Die Idee, dass nur die, die eine Sprache perfekt beherrschen, es wert sind, gehört zu werden und als „integriert“ bezeichnet zu werden, ist eine Idee, die mich schon gestört hat, als es mich noch gar nicht betraf. Sie tut es noch bis heute. Auf Grund dieser Annahme wurde mir die höhere Schulbildung und jede Hoffnung auf einen Universitätsabschluss verwehrt, was ich wiederum mit einer Karriere kompensierte. Auch wenn ich in der Lage war, eine recht adäquate Leistung abzuliefern, machte mich meine Karriere trotzdem nicht glücklich. Das lag zum einen daran, dass ich nicht das machte, was ich wirklich wollte und zum anderen daran, dass ich meinen Weg nicht selbst gewählt hatte. Er wurde mir vorgegeben, mir auferlegt, aber es bestand nie eine Wahl. Das wahre Problem lag jedoch darin, dass ich aus Angst immer noch ein Opfer meiner Umstände war. Der Junge, der sich nicht getraut hat, für sich selbst vor dem Schulleiter einzustehen, war erwachsen geworden, und die Angst "so zu enden" und eine Vielzahl an Freunden, die mein Gejammer leid waren, drängten mich in eine lokale Abendschule und schlussendlich an die Uni. Ich besuchte die Abendschule, schob parallel dazu Nachtschichten als Hotel-Rezeptionist, um eben diese Abendschule zu finanzieren, bis ich letzten Endes die Universität mit einem Abschluss in Gender and Diversity Studies beendete. Endlich machte ich etwas, dass ich mir selbst ausgesucht hatte, dass ich liebte und dass ich ehrlich machen wollte.

 

 

"All das, wofür du kritisiert wurdest, als du jung warst, (alles, was dich "anders" gemacht hat),

wird einzigartig machen, wenn du erst erwachsen bist. Beherrsche es, oder es wird dich beherrschen."

 

 

Ich habe alles studiert, was ich liebte. Alles, worin ich gut war. Alles, woran ich denken konnte. Ich habe mich in einem Feld niedergelassen, dass ich schon mein ganzes sechsunddreißig-jähriges Leben gelebt, geatmet und gespürt hatte. Migration, das Diskutieren über Unterschiede, die Gespräche über die Schnittstellen von den Kategorien Alter, Rasse, Klasse, Ethnizität, Sprache, Gesundheitsstatus und sexuelle Orientierung: diese Themen wurden zu meinem alltäglichen Umgang. Ich erforschte die Leistung derer, die sich als Teil der Gruppe fühlten und jener, die dies nicht taten. Ich untersuchte Innovation, Kreativität und den Zusammenhang zu vielfältig aufgestellten Teams. Ich diskutierte den "Geschäftsfall" Diversity mit Managern, die mich fragten, was es denn kosten würde und ich diskutierte die ethischen Aspekte mit Menschen, die mich ebenso fragten, was es Ihre Unternehmen kosten würde, wenn sie sich mit Diversity "herumschlugen". Ich habe die Konstruktion von Begriffen wie "Heimat", "Identität", "Fremdheit" und "Sprache" mit endlos vielen Gruppen erläutert.

 

Während all dem änderten sich meine Geschichte und meine Perspektive. All das, wofür ich als Kind, als Heranwachsender und als junger Erwachsender kritisiert worden war: alles, was mich anders gemacht hat, war inzwischen zu einer Stärke geworden.  Ich hatte nicht länger das Gefühl, meine Haut abstreifen zu müssen, um meine Aufgabe erledigen zu können. Mein Beruf und meine Berufung waren nicht länger zu trennen. Ich gehörte hier hin. Es fühlte sich richtig an. Ich fühlte mich nicht länger wie ein Betrüger und Schwindler, als würde ich ertappt werden. Ich begann, mich für Politik zu interessieren und absolvierte ein Praktikum im deutschen Bundestag (ein Meilenstein in meinem Lebenslauf, an den mein Schulleiter bestimmt nie geglaubt hätte). Ich trat einer Partei bei, gründete einen gemeinnützigen Verein, der sich jener annimmt, die in Not sind. Aber am wichtigsten: Ich fand meine einzigartige Nische in einem Team, dass mich jeden Tag unterstützt und motiviert. Und wenn meine Teamkollegen Unterstützung und Motivation benötigen, bin ich inzwischen sicher genug, beides zu bieten.

 

Meine Reise (und ich habe mit zahllosen Menschen gesprochen, die eine ähnliche Route bereist haben), haben mich einige fundamentale Wahrheiten gelehrt:

 

1.  Du musst dein Privatleben nicht an der Garderobe aufhängen, bevor du dich an deinem Schreibtisch niederlässt.
Genau genommen ist das gar nicht möglich, selbst wenn du es versuchst.

 

2.  Du musst das, was du tust, lieben und aus freien Stücken machen. Autonomie und Leidenschaft sind nicht verhandelbar.

 

3.  Deine Bildung steht an erster Stelle, aber du brauchst keinen Abschluss, um die Wahrheit zu benennen, worum es auch geht.

 

4.  Dein Erfolg liegt alleine in deiner Verantwortung.

 

5.  Deine innere Stimme hat eine Bestimmung (welche nicht ist, ignoriert zu werden).

 

6.  Jede*r möchte verstanden werden. Höre mit der Absicht zu, um zu verstehen, nicht, um zu antworten.

 

7.  Passe dich nicht den geringeren Erwartungen an, die Leute an dich haben (und erwarte nicht weniger von dir  selbst).

 

8.  Wenn es sich richtig anfühlt, ist es das auch.

 

9.  Wenn du dich reinquetschen musst, um passend zu sein, dann ist der Container zu klein. Weiter geht’s!

 

10.  All das, wofür du kritisiert wurdest, als du jung warst, (alles, was dich „anders“ gemacht hat), wird dich einzigartig machen,  wenn du erwachsen bist. Beherrsche deine Art, "anders" zu sein, oder es wird dich beherrschen.

 


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