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Zwischenwelten




Als einer aus Kanada migrierter weißer Mann, begann mein Migrationsprozess aus einer privilegierten Position. Ich sah mich weder mit Rassismus, noch mit negativ-konnotierten Stereotypen und Vorurteilen bezüglich meines Herkunftslandes konfrontiert. Wie sich zeigen würde, konzentrierten sich die Kommentare meiner Mitmenschen nicht auf meine Herkunft, sondern auf die Art und Weise, wie ich sprach. Hinzu kamen Beurteilungen meiner Schulleistungen und Kommentare über meine untypische Kindheit als Sohn eines Soldaten und die daraus resultierenden Eigenarten, die im Alltag zum Vorschein kamen. Viel später rundeten Kommentare zu meiner sexuellen Identität das Profil ab. Solche Kommentare halten nun über zwanzig Jahre an. Obwohl ich die Sprache so spreche wie andere, mich so verhalte, dass ich möglichst lesbar bin und sogar meinen englisch klingenden Namen „Smith“ in den Deutsch-klingenden Namen „Tasch“ bei der Eheschließung (mit meinem Ehemann) ersetzen ließ, begegnen mir immer noch in sozialen Interaktionen kleine, alltägliche Zeichen, die klarstellen: du bist anders. 


Bevor ich den Frankfurter Flughafen im August 1997 überhaupt verlassen konnte, war bereits eines klar: Der Grad meines Erfolges bezüglich Bildungsaufstieg und sozialem Aufstieg in Deutschland war eng mit der Frage verwoben, welche erlernten Verhaltensweisen ich bereit wäre abzulegen, zu modifizieren oder gar komplett zu ersetzen. Integration ist immer eine Passungsfrage. So gesehen ist Integration quasi das Resultat einer erfolgreichen Passungsstrategie: Erfolgreich am „Ende“ des Passungsprozesses angelangt, wird der Status „erfolgreich integriert“ an betroffene Personen verliehen. Integration wird als Orden, Status und Preis inszeniert und gefeiert. Die gesamtgesellschaftliche Sichtweise auf Integration lässt uns glauben, die Integration selbst, der Zustand des „Dazugehörens“, sei das Erstrebenswerte. 


Ich glaube es gibt etwas erstrebenswerteres. Die Integration verhält sich ähnlich einer Ausbildung. Es ist zwar der Titel "integriert" der öffentlich gewinnbringend ist, durch die wir Anerkennung und Status gewinnen, jedoch sind es die erlernten Fertigkeiten, die den Abschluss des Integrationsprozesses und damit auch den Erfolg überhaupt möglich machen. Diese Fähigkeiten sind das eigentlich Erstrebenswerte. Leider werden sie zu oft den betroffenen Menschen nicht zugesprochen oder als Qualifikationen anerkannt.

 

Die Ressourcen, die sich die jungen Menschen durch ihre außergewöhnliche Position aneignen, beispielsweise durch die parallele Pflege von Beziehungen zu ihren Peers mit und ohne Migrationshintergrund, die oft aus unterschiedlichen Milieus mit unterschiedlichen Kulturhintergründen stammen, werden kaum als Ressource wahrgenommen und folglich nicht als Talent eingestuft oder gefördert. Weiterhin als besondere Quellen der Ausbildung von außergewöhnlichen Ressourcen zu betrachten sind folgende Notwendigkeiten seitens der jungen Männer mit Migrationshintergrund: das Verstehen, die Nutzung und die Erklärung mehrerer Sprachen und Sprachsymbolik zeitgleich, sowie die Notwendigkeit, die Bildungsaspirationen ihrer eigenen Eltern mit oft kontrastierenden Erwartungen ihrer Lehrkräfte und Peers miteinander zu vereinen. Fleiß, rhetorisches Geschick, die Navigation komplexer Beziehungen in der parallele, gleichzeitige und sich widersprechende Erwartungshaltungen an einen herangetragen werden und ständiges rechtfertigen und argumentieren: Alles Fähigkeiten, die von Top-Managern in führenden deutschen Unternehmen verlangt werden. 


Hierfür sind wir gesellschaftlich bereit, mehrere hunderttausend, wenn nicht Millionen, jährlich zu bezahlen. Die Menschen, die diese Stellen innehalten, erfahren Prestige, Anerkennung und Reichtum. Ihre Fähigkeiten und Qualifikationen werden anerkannt, weil sie an Universitäten oder durch Berufserfahrung entstanden und durch Abschlüsse legitimiert sind. Das möchte ich keineswegs kleinreden. Davon habe ich selbst sogar Gebrauch gemacht. Aber wenn es Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung gelingt, dieselben, ähnliche oder auch nur Ansätze solcher Qualifikationen durch Passung zu erwerben, müssen wir dieser Art der Qualifikation, diese "Passungspotentiale", auch Anerkennung, Prestige und Reichtum entgegenbringen. 

 

 

(c): Timothy Tasch, 2018, "Zwischenwelten: Die unterschätzten Potentiale in flexiblen Anpassungsstrategien von jungen Bildungsaufsteigern mit Migrationshintergrund".

 

Foto: (c)@DOMiD-Archiv, Köln.

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